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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 6
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Braun, Edmund Wilhelm: Zu der schlesischen Schüssel mit dem Brustbild Kaiser Rudolfs II. im Victoria und Albert Museum zu London
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0347

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STUDIEN UND FORSCHUNGEN

Zu der schlesischen Schüssel mit dem Brustbild
Kaiser Rudolfs II. im Victoria and
Albert Museum zu London
Von E. W. BRAUN-Troppau

Bernard Rackham hat mit der buntgla-
sierten schlesischen Hafnerschüssel, die
das Brustbild Kaiser Rudolfs II. trägt und
die er für das Victoria and Albert-Museum
sichern konnte („Cicerone“, 1925, Heft 4),
einen hochwichtigen Fund gemacht. Be-
kanntlich erwarb das schlesische Landes-
museum zu Troppau aus derselben Werk-
stätte eine Schüssel mit einem Fürsten-
Porträt, die ich im „Cicerone“ (1914, S.iff.)
farbig abgebildet und beschrieben habe.
Ich habe das Porträt damals auf das des
Kaisers Rudolf II. bestimmt, und zwar auf
Grund der Ähnlichkeit mit einem Stich.
Nun hat die neuaufgetauchte Schüssel, de-
ren Porträt auf dieselbe Vorlage wie auf
der Troppauer Schüssel zurückgeht, auf
Grund der Umschrift den Beweis erbracht,
daß meine Diagnose auf Rudolf II. damals
die richtige war. Die Londoner Schüssel
ist aber in erster Linie dadurch von größ-
ter Bedeutung, daß sie die so oft erörterte
und noch nie ganz sicher beantwortete
Frage nach dem Ursprungsort dieser sel-
tenen Gattung von buntglasierten Hafner-
schüsseln jetzt endgültig löst.
Bekanntlich führt eine Schüssel des Ber-
liner Schloß-Museums das Wappen des
Balthasar von Promnitz, der von 1539—1562
Bischof von Breslau war. Bin vor einigen
Jahren in den Besitz des Breslauer Mu-
seums gelangtes kleines Fragment einer
weiteren Schüssel läßt das Wappen des
Fürstentums Neiße erkennen, das seit dem
Beginne des 13. Jahrhunderts im Besitze
des Breslauer Bistums war und bis 1810
bestand. Dadurch konnte schon mit starker
Wahrscheinlichkeit Neiße, die Hauptstadt
des gleichnamigen Fürstentums, oder eine
der übrigen Städte desselben, als dieser
langgesuchte Ursprungsort angenommen
werden. Die neugefundene Londoner Schüs-
zel zeigt nun im Inschriftfries als Ab-
schluß desselben eine stilisierte Lilie, und
die ist das Wappen der Stadt Neiße, das

wir auch im Beschauzeichen der dortigen
Goldschmiede und Zinngießer wiederfin-
den. Somit ist durch diesen Fund absolut
sichergestellt, daß diese Schüsseln, soweit
sie zeitlich und inhaltlich eng zusammen-
gehören, in einer Neißer Hafnerwerkstätte,
die während der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts blühte, entstanden sind. Es besteht
auch kein Grund mehr, die Troppauer
Schüssel mit dem Brustbilde Rudolfs II.
sowie die des Victoria and Albert-Mu-
seums einer andern Werkstätte zuzuschrei-
ben, da die Stadt Hotzenplotz, in der un-
sere Schüssel gekauft wurde, in der un-
mittelbarsten Nähe von Neiße liegt.
Bisher war das Geschick unserer Wis-
senschaft günstig gesinnt, denn es tauchten
in den letzten zwei Jahrzehnten gleich
drei bisher unbekannte Stücke dieser Art
auf, die Rudolfschüsseln in Troppau und
London, sowie die Kreuzigungsschüssel
von 1554, jetzt in Hamburg, von denen al-
lerdings die letztere wenigstens bereits li-
terarisch beglaubigt war. Denn sie ist im
Katalog der Sammlung Minutoli ausführ-
lich beschrieben, war aber seit der Verstei-
gerung dieser berühmten Sammlung (Köln
1875) bis zum Jahre igo8, als sie Brinck-
mann zu Berlin wiederfand, verschollen.
Hoffentlich erscheint nun auch noch bald
die letzte schlesische Schüssel aus Minu-
tolis Besitz wieder, die gleichfalls ein, dies-
mal reliefiertes, Porträt Kaiser Rudolfs
trug und deren Beschreibung nach dem
alten Katalog folgt: „Nr. 57g. Runde Platte
mit dem stark erhabenen Brustbilde Kaiser
Rudolfs in der Rüstung, mit Krone,
Schwert und Reichsapfel in glänzenden
Emailfarben auf blauem Grunde mit der
Umschrift: Rudolphus der VIII. Ein er-
habener und ebenfalls emaillierter Rand
mit Eierstab umgibt dieses sehr merkwür-
dige Stück, welches große Verwandtschaft
mit den Hirschvogelschen Arbeiten hat.
Dm. 31 cm.“

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